Hey ihr,

ich wollte euch einfach mal Mut machen, denn auch ich hatte acht Jahre lang mit der AE zu kämpfen (Und würde mich nun seit Anfang diesen Jahres als geheilt beschreiben ;-)). Es begann ungefähr als ich sechzehn Jahre alt war, damals stieß ich auf ein anderes Forum und habe dort ungefähr ein Jahr auch mal hin und wieder einen Beitrag geschrieben. Leider muss ich sagen, dass es für mich durch das Forum noch viel schlimmer wurde, zwar war ich irgendwie erleichtert, dass das Grauen einen Namen hat, aber durch Berichte von Rückfällen anderer, aber auch durch Erfolgsberichte (da kam ich mir dann so undisziplinert vor, warum schafft sie es, und ich nicht?) habe ich mich oft runterziehen lassen. Und nicht selten habe ich dann nach einigen Stunden Forenrecherche ein paar weitere Stunden vor dem Spiegel verbracht. Dass ist sicher ein Einzelfall und ich will damit nicht sagen, dass die Foren schlecht sind, denn auch mir hat es insofern geholfen, als dass ich endlich kapiert habe, dass ich mein Gesicht wirklich krankhaft behandle. Und ein weiterer Glücksfall war sicher, dass ich auf die Krankheit schon so ein halbes Jahr nach Ausbruch gestoßen bin, sodass ich fast von Beginn an damit konforntiert wurde, wie ich damit wieder aufhören kann.

Nun, ich habe keine Therapie gemacht, ich war zwar oft davor, mich mal mit einer Truppe aus dem Forum zu treffen und in Zuge dessen auch zu einer Therapie zu gehen, habe dann aber immer wieder einen Rückzieher gemacht. Und ich kann noch nichtmals sagen, was genau dazu beigetragen hat, dass ich aufgehört habe. Fakt ist, dass ich noch immer nicht 100prozentig weiß, warum ich überhaupt angefangen habe, ich weiß jedoch, was dazu beigetragen hat, als ich auf dem Höhepunkt des Kratzens und Drückens war (teilweise war meine rechte Gesichtshälfte so angeschwollen, dass ich einige Tage die Uni schwänzen musste). Und ich glaube, das ist sehr wichtig. Ab da an muss sich was ändern, bei mir war es wieder Glück, da ich dann nach meinem Bachelor eine andere Uni und ein anderes Fach für meinen Master wählte und ich ab da an, einfach ziemlich ausgefüllt war. Ich dachte immer weniger an die AE, habe mir aber immer wieder refelktiert Gedanken gemacht, warum das alles so kam. Und ich war plötzlich wieder glücklich. Das lag sicher nicht nur am Studium, aber mein ganzes Leben änderte sich einfach plötzlich und ich arbeitete auch aktiv daran, nicht in alte Muster zu verfallen. Ich habe mich auch zwei Jahre von jeglichen Foren, Behandlungstipps wie Cremes und was weiß ich, ferngehalten und nutze auch jetzt nur Wasser und Seife. Ich habe noch immer Angst, dass ich einen Rückfall bekomme, jedoch glaube ich nicht, dass ich noch mal eine starke AE entwickeln werde. Momentan habe ich eher Angst, dass es vielleicht dann plötzlich irgendwann was Anderes sein wird. Schließlich kam die AE auch so über Nacht, irgendwie jedenfallls... das Beste ist, dass ich seit einigen Monaten sogar das Make Up weglasse und ich denke ihr wisst, was das für ein gutes Gefühl ist. Ich habe jedenfalls oft darüber nachgedacht, wie es sein muss, morgens einfach aufzustehen, das Gesicht zu waschen und nicht eine halbe Stunde mehr im Bett zu verbringen, aus Angst im Spiegel die Folgen des Massakers vom vorigen Abend begutachten zu müssen. Und dann erstmal stundenlang zu versuchen, sich "Rausgeh-bereit" zu machen, obwohl man nur kurz einkaufen muss.

Ich sende euch hiermit ganze Kilos, ach was Tonnen voll Mut, Erfolg und Glück, dass ihr euer Leben wieder leben dürft :-)
Eure Anni.

Hallo Anni,

vielen Dank für diesen Beitrag - ich bin erst vor ca. 3 Wochen auf den Namen der Krankheit und der dazugehörigen Foren gestoßen und ich war ebenfalls erstmal erleichtert -fast glücklich, dass ich endlich wusste, was ich da mit mir anstelle seit 20 Jahren. Angefangen hat es bei mir mit 12 Jahren als eine Tante von mir einen Kosmetiksalon eröffnet hatte und bei mir eine Gesichtsbehandlung durchführte. Ich habe angefangen ebenfalls vermeintliche Mitesser und Aknepickelchen aufzudrücken und so nahm es seinen lauf täglich... bis heute. Ich bin damit sooo unglücklich aber trotz des Bewusstseins über die Krankheit, habe ich derzeit das Gefühl, dass es noch schlimmer geworden ist :wein: Ich wünsch mir, eines Tages so einen tollen Beitrag schreiben zu können wie Du - ich freu mich für dich und danke dir fürs Mut machen!!! Ich habe unlängst damit begonnen ähnliche Schritte zu machen, allerdings krieg ich die Disziplin mit dem aufschreiben noch nicht so her und eine spiegelfreie Zeit hatte ich 2 Monate im Ausland und das hilft tatsächlich viel (leider wohne ich nihct alleine, sodass ich die Spiegel im Haus leider hinnehmen muss) seufz. Trotzdem Danke, es macht wirklich Mut nicht aufzugeben - GLG
:)
MiouMiou

Liebe Miou Miou,

zwölf Jahre ist eine lange Zeit und ich kann mir wahrscheinlich gar nicht vorstellen, wie es ist, wenn man dann so spät erst erfährt, was man eigentlich hat. Krass, dass du noch genau weißt, wies angefangen hat, bei mir ist es genauso, also dass ich es noch weiß. Ich stand vor dem Spiegel und bemerkte plötzlich ganz viele kleine Pickelchen auf meiner Wange (bis dahin hatte ich immer eine reine Haut gehabt). Und plötzlich waren zwei Stunden vergangen und meine Arbeit war verrichtet. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich wütend oder besonders emotional aufgeregt war, es fing einfach an.
Aber dadurch, dass wir wissen, wann es anfing, scheinen wir ja direkt am Anfang der AE bemerkt zu haben, dass das nicht normal ist. Nun, als ich dann ein paar Monate später auch Pinzette und Nagelschere als Hilfsmittel nutzte, habe ich mich vor den PC gesetzt und gegooglet. Hattest du in den zwölf Jahren denn nicht das Gefühl, dass es krankhaft ist, was du machst? Also, wie bist du denn vor drei Wochen dann genau darauf gestoßen? Und hast du wirklich Hautprobleme, oder knibbelst du an allem, was aussieht, als könnte mal was kommen?
Ich glaube, dass ich gar keine Hautprobleme gehabt hätte, wenn ich mit der AE nicht angefangen hätte. Denn jetzt habe ich auch keine Probleme mit meiner Haut, nur leider macht man sie ja immmer schlechter durchs Knibbeln, weil man die Bakterien so schön verteilt... Vielleicht kann ich dir ja sogar noch mehr Motivation damit machen, dass meine Narben kaum noch sichtbar sind ;-) Also diejenigen, die nicht wissen, was ich hatte (z.B. meine Eltern) bemerken rein gar nichts. Mein Freund sagt hingegen, man sieht es ein wenig in der Sonne. Wobei ich wirklich dachte, dass ein Loch in meiner Wange, als ich richtig schlimm dabei war, niemals verheilen würde.
Aufgeben darf man sowieso niemals, liebe Miou miou, denn es geht doch viel zu viel Lebensqualität drauf, als dass man das akzeptieren könnte. Sauna, schwimmen, in der Sonne liegen - all das ist mit AE ja kaum möglich. Knibbelst du denn nur im Gesicht, oder auch an anderen Stellen? Bei mir war immer nur das Gesicht betroffen und ich habe mich oft gefragt warum. Es gibt auch Knibbler, die machen es an den Beinen und zum Beispiel gar nicht im Gesicht, denn so kann man die Stellen natürlich viel besser verstecken. Ich habe immer überlegt, ob das mein Hilferuf sein soll. Und habe dann doch zu viel Zeit damit verbracht, meine Haare in die richtigen Positionen zu rücken, damit mir ja keiner auf die Schliche kommt...

Ganz lieben Gruß,
Anni
PS: Du weißt es jetzt seit drei Wochen, sieh es also als Chance an. Heute ist Tag Eins für dich, um dein Leben zu ändern :-)

Ich habe mit 12 angefangen ;) d.h. ich mach es seit 20 Jahren und ich habe auch schon mal meine Beine bearbeitet, dass war vor 5 Jahren ungefähr hab aber damit aufhören können von heute auf morgen (konnte danach 2 Jahre lang nix kurzes mehr anziehen). Ich knibbel an allem, was so aussehen könnte und hätte womöglich wie du sagst, gar keine Hautprobleme. Ich kratz und knibbel hauptsächlich im Gesicht, ganz selten aber kommts vor am Dekolltée. Ich hab überhaupt kein Bedürfnis, zu nashcen, zu trinken, zu rauchen etc. mach ich alles nicht, aber Knibbeln hingegen mach ich täglich und bin dabei schlimmer als ein Junkie :( . Das es nich normal war/is, wusste ich schon lange, aber einen Namen dafür hatte ich nicht, bin aber auch nie daraufgekommen, dass es sich um eine Krankheit handelt. Gestoßen bin ich durch puren Zufall darauf, habe mir bei einer Bekannten die Women's Health ausgeliehen und da war ein Artikel darüber drin und so hab ich es herausgefunden... Und ich hätte niemals gedacht, das es sooo verbreitet ist und das alleine, tröstet unheimlich. Und ja die Lebensqualität is furchtbar eingeschränkt, ich merke zB. wie ich einen absoluten Tunnelblick bekomme, wenn ich vor dem blöden Spiegel stehe, dann hab ich zudem mega Komplexe, wenn ich mich für "draußen" zurecht mache. Bin denk ich nich hässlich, aber ich fühle mich so und strahl das womöglich auch aus und wenn man mit sich selbst nicht klar kommt tut man sich auch mit anderen schwer. Genau dass versuch ich zu ändern, aber ich bin sehr langsam bzw. meine "Fort"schritte dahingehend, mich selber zu akzeptieren so wie ich bin, sind so groß, wie die von ner schnecke..... ich geb nich auf - versprochen ;)
GlG

Hi, ich möchte kurz auf den Aspekt eingehen "AE wurde schlimmer, nachdem ich die Foren entdeckt hatte".

EDIT: ok, wurde doch etwas länger...

Ich denke, Du bist KEIN Einzelfall. Auch bei mir wurde es subjektiv zuerst schlimmer, was sicher mehreren Umständen geschuldet war:

- Ich wusste erstmals "mit Diagnose", was ich da mache, somit fielen mir schlimme Episoden noch stärker auf als zuvor, wo sie mich zwar auch belasteten, aber irgendwann wieder als Episode in der Vergangenheit verschwanden. Danach "sammelte" ich die Episoden und sie wurden subjektiv mehr, sowie einem vermehrt Schwangere auffallen, wenn man selbst schwanger ist.

- Die Tatsache "Oh Gott, ich hab' tatsächlich einen an der Waffel" kombiniert mit "Oh nein, ich hab's schon wieder getan, dabei weiß ich es jetzt doch besser" belastet einen natürlich. Erleichterung, einen Namen und auch LeidensgenossInnen gefunden zu haben, ja, aber gleichzeitig Frust, Schuld, alles mögliche. Und wie gehen wir mit unklaren, widersprüchlichen, belastenden Situationen um? Richtig...

- Die meisten, oder gar alle, die sich in einem Forum anmelden, sind voller Tatendrang, sagen AE JETZT den Kampf an. Zum einen bedeutet dieser Kampfmodus wieder Stress, zum anderen zieht einen die nächste unvermeidliche Attacke erst recht runter und der Kreislauf beginnt von vorne. Unvermeidlich, weil es eben KEINE Angewohnheit ist, die man einfach so ablegen kann.

- Dieser Kampfmodus erstreckt sich oft zuerst auf Hilfsmittel (also zum Aufhören! Handschuhe, Pflaster tragen) oder auch Ersatzbefriedigungen (Knibbelfolie, Igelbälle). Die Ursachen werden in dieser Phase oft noch nicht angegangen, wie auch ein alternativer Umgang mit Auslösern eher selten. Somit ist die Spontanheilung quasi unmöglich - und der Kreislauf setzt sich fort.

Diese Phasen habe ich auch alle durchgemacht, aber rückblickend kann ich sagen: ja, da MUSSTE ich persönlich durch. Ich habe in dieser Zeit viel über mich gelernt (und bin noch dabei ) als auch über das Wesen unserer "Macke" und ihre möglichen Hintergründe. Diese sehr schwierige Phase der ersten Auseinandersetzung damit ist emotional schmerzhaft, aber notwendig (ich schließe damit natürlich nicht aus, dass andere auch andere Erfahrungen gemacht haben!).
Danach wurde es stetig besser

Wie jedeR damit umgeht ist unterschiedlich und jedeR wird den richtigen Weg für sich schon finden

Hallo Lene,

Ich glaube auch, dass da jeder so seinen eigenen Weg hat - ich versuche zu lernen und zwar täglich in erster Linie natürlich über mich selbst und ich akzeptiere langsam, dass es eben ein langwieriger Prozess ist und bei dem einen klappt das schneller und bei dem anderen halt eben nicht so schnell oder gar nicht - man darf nur nicht aufgeben....8o

GlG

Jepp, ich denke dass die Akzeptanz ein ganz wichtiger Aspekt ist. An dem Punkt, an dem ich nicht mehr AE, die Symptome, bekämpft habe, sondern AE akzeptiert habe und besonders seine Rolle und Funktion - ab diesem Zeitpunkt hat sich/ habe ich meine Situation Schritt für Schritt verbessert.

Alles Gute!